Leben ist, was uns zustößt, während wir uns etwas ganz anderes vorgenommen haben. -Henry Miller-
Gibt es jemanden, dem dieses Zitat nicht geläufig ist? Ich meine ja, es gehört zu einem der (abgedroschenen) sehr geläufigen Exemplare.
Wahrscheinlich, weil so viel Wahrheit darin steckt.
Ich musste diese Erfahrung (nicht zum ersten Mal, aber wir vergessen oder verdrängen ja so gern) in den letzten Wochen machen. Also ich habe es gelebt, dieses Zitat. Vorgenommen hatte ich mir, jede Woche einen Artikel für meinen Blog zu schreiben und zu posten. Als Puffer habe ich mich gedanklich auch mit einem Artikel aller 14 Tage angefreundet. Ich bin schließlich Mutter, Vollzeit- Krankenschwester, Partnerin und Geliebte, Stiefmutter, Freundin und ganz nebenbei stolpere ich häufiger über meine ganz eigenen Stolpersteine Depression und emotionale Instabilität mit allem was sie so mit sich bringen. Wenn ich das so schreibe, finde ich den Plan, wöchentlich einen Text mit 300 – 1000 Wörtern verfassen, welcher dann ja auch noch (m)einem Anspruch an einen solchen genügen soll, ganz schön mutig. Oder eher unrealistisch?
“Pläne haben da, wo wir gerade hingehen, keine Bedeutung”
Wie auch immer. Das Leben stand hinter dem Leinenvorhang meines Wohnzimmers und kicherte irre. Denn es wusste, was passieren würde.
In den ersten 5 Wochen ging alles gut. Ich war beflügelt, aufgeregt und voller Tatendrang. Dann kam der Fall in die Arme der Melancholie. Ich war irritiert, spürte den Willen mich frei zu strampeln und das altbekannte Schema zu ignorieren. Ich hatte doch einen Plan!
“Schätzchen vergiss das mal” säuselte meine Seele, “Pläne haben da, wo wir gerade hingehen, keine Bedeutung.” Tag um Tag, Woche um Woche ergab ich mich. Natürlich bäumte sich der aktive Teil in mir auf und machte mir Druck. Als ob da nicht schon genug Druck wäre. Die kleine, ruhige bzw. vernünftige in mir mahnte zur Besonnenheit. Alles auf einmal geht nicht. Wenn jetzt Trigger und deren Folgen, das Hinfallen, die Schmerzen, das Aufarbeiten und das Heilen dran sind, dann ist das eben so. Es ist ok! Mehr geht eh nicht.
“Hör nicht auf, wenn du müde bist. Hör auf, wenn du fertig bist.”
Jetzt ist Selbstakzeptanz gefragt. Annehmen und aushalten. Für mich sind das Dinge, in denen ich mich noch stark üben möchte. Denn es kostet so viel Kraft und Energie, mich über Dinge zu ärgern, die ich im Moment nicht ändern kann. Und ein Versuch, meine Energiereserven bis zum Äußersten auszureizen führt in der Regel zu zwei Ergebnissen.Einem Zusammenbruch und/oder einem Fehlschlag. Es würde Tage und Wochen dauern, mich davon körperlich und mental zu erholen. Im Fitnessbereich wird ja gern propagiert, bis an seine Grenzen zu gehen und dann noch ein, zwei, drei Schritte weiter. “Hör nicht auf, wenn du müde bist. Hör auf, wenn du fertig bist. Nur so wirst du stärker.” Ich habe es selbst so praktiziert und mich danach halb tot aber glücklich und stolz gefühlt. Stolz, weil ich mental stärker war, als mein Körper es mir suggerierte. Weil ich mit meinem Geist meinen Körper mehr abverlangen konnte, als er zu geben bereit war. Der Schmerz, der Muskelkater waren nebensächlich. Ich habe mir eingeredet, diese Art von Schmerz fühle sich doch gut an. Zeugt er doch von meiner Selbstbeherrschung, meinem starken Willen und meinem starken Körper, der nebenbei auch noch toll aussah. Von mir geformt. Aus heutiger Sicht fühlt sich das gar nicht mehr gut an. So weit weg von Selbstliebe und einem guten und fürsorglichen Umgang mit mir selbst.
Erholung und Regeneration sind so individuell wie du selbst
Woher kommt eigentlich dieser Drang, uns stets das Maximum abzuverlangen? Ohne Pause, ohne Regenerationsphasen? Es ist doch verrückt, dass wir unseren Smartphones, Tablets etc. ganz selbstverständlich das Stromkabel anstöpseln, wenn deren Akku leer ist. Aber bei uns selbst fällt uns das gar nicht so leicht. Vielleicht liegt es auch zum Teil daran, dass diese Regeneration eine sehr individuelle Sache ist. Schlafen ist erholen, dachte ich früher. Heute weiß ich, Schlaf allein reicht nicht jedem aus. Die Länge des benötigten Schlafes ist genauso unterschiedlich, wie die bevorzugten Schlafpositionen.
Wie Erholung, das Stärken der Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit) für dich möglich ist, hängt auch davon ab, ob du eine extrovertierte oder eher eine introvertierte Person bist. Ich habe eine Weile gebraucht um zu erkennen und zu akzeptieren, dass ich allein sein muss, um wirklich abschalten zu können. Sobald (meine) Menschen in meiner näheren Umgebung sind, rattert der Denkapparat und ich bin abrufbereit. Also das Gegenteil von entspannt. Wenn ich allein sein kann, dann gibt es niemanden, mit dem ich mich auseinandersetze. Nicht gedanklich, nicht verbal, nicht physisch.
Nur ich. Mit mir. Nicht reden. Nicht hören. Nicht tun.
Um ehrlich zu sein, selbst im Loner-Modus funktioniert das nicht immer. Anstatt wirklich mal nur abzuhängen, zu lesen, zu schlafen, netflixen oder Löcher in die Luft starren räume ich oft in der Wohnung herum. Ich möchte doch schließlich auch mal Dinge schaffen, zu denen ich sonst nicht komme.
Doch das ist ok. Auch in diesem Bereich bin ich in einem Lernprozess und (werde „besser“) mache Fortschritte.
Ein Fortschritt ist auch, dass ich mir versuche, mir den Druck zu nehmen, hier abliefern zu müssen. Deadlines, die es offiziell nicht gibt, einhalten zu müssen. Regelmäßigkeit erfreut die Leser und ist irgendwie auch professionell. Ich muss hier aber nichts, ich darf hier einfach. Ich darf sein, wie ich bin. Mit Pausen. Oder ohne. Wie es gerade passt. Ich hoffe, ihr versteht das.
“Can you just sit with it today und es einfach da sein lassen?”
Neulich schrieb mir eine Freundin, als ich ihr von (m)einer Überforderung und Verzweiflung erzählte „Can you just sit with it today, es nur da sein lassen, annehmen, nicht handeln müssen. Nur atmen und mir versprechen eine Sache zu tun, von der du weißt, daß sie dir gut tut?“
Diese Worte trafen den Nagel auf den Kopf. Diese zwei Sätze sind der Schlüssel für mich. Sie hat mir nichts konkretes vorgeschlagen. Sie hat mir die Hand gereicht und mir geholfen, meinen Weg zu finden, mit einer belastenden Situation umzugehen.
Das möchte auch ich dir heute und hier mitgeben. Wenn dir der Kopf dröhnt, du in Panik gerätst, dich absolut kraftlos und erschöpft fühlst….
„Just sit with it today, lass es einfach nur da sein, nimm es an, handle nicht. Atme nur und versprich mir (oder dir selbst) eine Sache zu tun, von der du weißt, daß sie dir gut tut.“
Es ist so wichtig, dass du erkennst, wenn du deine Grenzen erreichst und nur noch funktionierst. Wenn du deine Überforderung erkennst und dir Pausen gönnst, ist das auch eine Form der Selbstliebe und der Selbstakzeptanz.
Schreib mir gern in den Kommentaren, wie du dir Pausen schaffst und wie du deine Akkus wieder auflädst. Und ob es dir schwer oder leicht fällt, zu akzeptieren, wenn du trotz ellenlanger To-Do-Listen einfach mal einen Break brauchst.